Meine Woche im Schnee

04.01.2019

Eine Woche im japanischen Schnee liegt hinter mir und plötzlich fallen mir die Menschenmassen in Tokyo wieder auf, die blinkenden Lichter und U-Bahnansagen. All diesen Trubel, der seit meiner Ankunft so normal geworden ist, sehe ich nach dieser Woche mit japanischer Familiengemütlichkeit in einem ganz neuen Licht. Irgendwie schön, wieder zurück zu sein, in der eigenen Wohnung mit eigenem Tagesablauf und Supermärkten an jeder Straßenecke. Gleichzeitig irgendwie melancholisch, den Reis zum Frühstück, die Gespräche unter dem Kotatsu (wärmender Tisch), das Bad am Abend und den Familienanschluss zurück zu lassen.

Ein Besuch bei der Lieblingsjapanerfamilie fühlt sich immer so ein bisschen an wie ein Schüleraustausch, ich werde bemuttert, lerne jeden Tag gefühlt tausende neue japanische Wörter und darf am Alltagsleben einer ganz normalen japanischen Familie teilhaben. Der gemeinsame Alltag mit Lieblingsjapaner in Tokyo ist dagegen viel internationaler und unkonventioneller, deutsches Bier steht neben Miso-Paste, im Fernsehen sind die Untertitel eingeschaltet. Ich mag es, unseren ganz eigenen deutsch-japanischen Alltag zusammenzubasteln, gleichzeitig genieße ich auch diese kurzen Abstecher in die japanische Normalität der Lieblingsjapanerfamilie.

 

Der Grund für unseren letzten Abstecher in den Schnee ist, dass Silvester in Japan, ähnlich wie Weihnachten in Deutschland, eher ein Familienfest ist, zu dem viele Menschen zurück in ihre Elternhäuser reisen. Feuerwerke und Partys gibt es zwar mittlerweile auch in vielen Städten, der Großteil der Bevölkerung verbringt den Abend aber viel unspektakulärer – dabei aber nicht weniger schön. Und so habe auch ich dieses neue Jahr zum ersten Mal nicht mit Sekt und Feuerwerk gestartet, sondern den Abend damit verbracht das Haus zu dekorieren, am Kotatsu zu sitzen, zu Fernsehen und Massen an Essen zu verdrücken. Die Speisen und Dekorationen haben dabei alle eine besondere Bedeutung für das neue Jahr – welche das ist, konnte mir auch niemand so genau sagen, aber es wird halt so gemacht, Tradition ist Tradition. So kam es beispielsweise, dass ich eine Erdnuss, eine Marone und eine getrocknete Kaki in genau dieser Reihenfolge gegessen habe, „weil man das halt so macht“ oder Goldkarton mit Kreiseln dekoriert habe, weil die „auch irgendwie mit Neujahr zusammenhängen“. Wer sich da besser auskennt, darf mich gerne erleuchten! :D

 

Aber eigentlich kann ich Silvester und Neujahr dieses Jahr in meiner Erinnerung gar nicht nur auf diesen einen Abend beschränken. Irgendwie war die ganze Woche für mich wie ein langes, mit allen möglichen Highlights gespicktes Hinübergleiten in 2019. Ich habe mit dem Lieblingsjapaner die lokale Eisbahn unsicher gemacht, habe im wohl coolsten Onsen eh und je entspannt, im Tempel gebetet, bin am japanischen Fernsehen verzweifelt und habe die Ortschaften und Restaurants der Region erkundet. Das alles dank der wunderbaren Lieblingsjapanerfamilie, die – so anstrengend es auch manchmal sein mag – wohl die gastfreundlichsten Menschen sind, die ich je getroffen habe.

Was ich damit sagen will: Mir geht’s gut! Wenn das Jahr so wunderbar weitergeht wie es angefangen hat, dann freue ich mich jetzt schon :)

 

Und bevor ich es vergesse ein kleines Highlight zum Schluss: Erinnert ihr euch an meinen Sommer bei der Lieblingsjapanermama, während dem ich zu jeder sich bietenden Gelegenheit als die „nette ehemalige Mitbewohnerin des Lieblingsjapaners“ vorgestellt wurde? Bei diesem Besuch war das alles plötzlich anders – darf ich vorstellen, ich bin jetzt die „musuko no kanojo“ – die „Freundin des Sohnes“. Als ich das zum ersten Mal gehört habe, wäre ich vor Überraschung fast rückwärts umgekippt. Vielleicht klingt es komisch, aber das war wohl das schönste Neujahrsgeschenk, das ich bekommen konnte :) 

 


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