10 Tage Gold

12.05.2019

Dass Japaner es nicht so haben mit langen Urlaubsreisen und bezahlten Krankheitstagen ist mittlerweile allgemein bekannt. Weit weniger oft wird berichtet von Japanern, die – Überraschung! – einfach auch mal ein bisschen frei haben wollen bzw. sollten. Wer hätte gedacht, dass man in Japan nicht nur gut Überstunden machen kann, sondern dass das Land auch ein geheimes Talent für die Zusammenstellung von Feiertag-Brückentag-Kombinationen hat. Was Japan fehlt an christlichen Festen wie Christi-Himmelfahrt oder Ostersonntag machen sie ganz locker wett mit kreativen – teils abstrusen – Eigenkreationen wie „Tag des Meeres“ oder „Tag der Ehrung der Alten“. Brückentage sind dabei selbstverständlich und wenn auch noch ein Feiertag zufällig auf einen Sonntag fallen sollte, wird der darauffolgende Montag einfach mal zum „Ausgleichsfeiertag“ erkoren.

Dieses Feiertagsfaible führt Ende April und Anfang Mai jeden Jahres zu einer Anhäufung freier Tage ohne Gleichen – der berühmt-berüchtigten „Golden Week“. 7 Tage ohne Anzug und Großraumbüro, das kann einem schon mal den Atem verschlagen – spätestens wenn man sich zu dieser Zeit die Flug- und Hotelpreise zu Gemüte führt. Wenn dann auch noch der landeseigene Kaiser abdankt und die Feierlichkeiten netterweise an die ohnehin schon bestehende „Golden Week“ anhängt – so wie dieses Jahr der Fall - dann kommt es auf einmal zur MEGA „Golden Week“ von sage und schreibe 10 URLAUBSTAGEN AM STÜCK!

In schierer Feiertagsekstase sicherten sich japanische Familien ihr Hotelzimmer all inclusive auf Okinawa und die Flüge nach Paris mit kurzem Buszwischenstop am Schloss Neuschwanstein schon bevor das offizielle Datum für die Abdankung des Kaisers überhaupt veröffentlicht wurde. Ausländische Mitbürger, denen Anfang April einfällt, dass sie ja noch den Leihwagen und die Unterkunft für die Reise nach Kyoto buchen müssen, haben im Normalfall leider Pech gehabt oder können nur noch im Michelin-prämierten 5 Sterne Hotel unterkommen. Alles andere ist schon seit Monaten ausgebucht.

 

Genau aus diesem Grund haben der Lieblingsjapaner und ich beschlossen, es in der Golden Week ein bisschen ruhiger angehen zu lassen und den Lieblingsjapaner-Familienbonus zu nutzen. Aufgewachsen in den japanischen Alpen, sind sowohl der Lieblingsjapaner wie auch seine Geschwister Naturliebhaber, die sich (mit Ausnahme des Lieblingsjapaners…) an Orten niedergelassen haben, die für ihre schöne Natur bzw. ihre Naturphänomene bekannt sind. Nachdem wir die Lieblingsjapanerschwester bereits vor einiger Zeit in ihrer Wahlheimat besucht hatten, war diesmal der Lieblingsjapanerbruder samt Freundin dran, die gemeinsam in Sichtnähe des wundebarschönen „Fuji-san“ leben. Die Lieblingsjapanerfamilie zeigte in diesem Zusammenhang mal wieder ihre unfassbare Gastfreundschaft, über die ich immer wieder aufs Neue nur Staunen kann. So beinhaltete unser Urlaub nicht nur eine freie Unterkunft sondern auch noch ein Vollzeit, all-inclusive Touristenprogramm mit Autofahrten durch die gesamte Region, Zwischenstopps an allen verfügbaren Touristenattraktionen und täglichen Restaurant und Café-Besuchen. 

Zweifelsfrei aus einer Familie ;)
Zweifelsfrei aus einer Familie ;)

Besonders schön war, bei diesem Besuch nicht das einige Nicht-Familienmitglied zu sein, sondern auch die Freundin des Lieblingsjapanerbruders kennenlernen zu können. Gemeinsam konnten wir so feststellen, dass die zwei Brüder sich noch viel ähnlicher sind als gedacht und dass es richtig gut tut, sich mit jemandem unterhalten zu können, wenn der Lieblingsjapaner mit Lieblingsjapanerbruder beim Fische beobachten nicht mehr ansprechbar ist – kleine Info am Rande, JEDES Kind der Lieblingsjapanerfamilie hat Meeresbiologie studiert, wenn das mal nichts aussagt :D . Nach dieser vollen Dosis Tagestouren rund um Fuji-san ging es nach kurzem Zwischenstopp in Tokyo weiter mit Lieblingsjapaner, Lieblingsjapanerbruder und Freundin (Das „Lieblingsjapanerbruderfreundin“ erspare ich euch jetzt) in die Heimat, die japanischen Alpen. Dort konnte ich dann zum allerersten Mal auch den Lieblingsjapanerpapa kennen lernen, was die Familienzusammenführung damit komplett machte. Die nächsten Tage waren auf ein Neues geprägt von der wunderschönen Natur rund um die japanischen Alpen und dem umso leckereren Essen der Lieblingsjapanermama. So gut es mir auch hier in Tokyo gefällt, so sehr vermisse ich diese zwei Komponenten jedes Mal ab dem Moment wenn ich in den Bus zurück nach Tokyo steige. Aber es tut gut zu wissen, dass ich jederzeit wieder dorthin zurück kann – das hat mir die Lieblingsjapanerfamilie trotz Sprachbarriere und kultureller Unterschiede immer wieder aufs Neue vermittelt. Und das macht mich ziemlich froh.

Golden Week mit der Lieblingsjapanerfamilie hat dem Namen dieser Ferienwoche wirklich alle Ehre gemacht – und jetzt Kitsch-Ende ;) 


Kommentare: 0