Frittiertes Huhn und Plastikbaum

26.12.2018

Ein etwas spätes Merii kurisumasu von mir, ihr Lieben! Ich hoffe, ihr könnt euch nach dem mehrtägigen Gelage noch bewegen und die Familienharmonie unterm Baum ist weiterhin ungetrübt!

Mein diesjähriges Weihnachten war zum allerersten Mal ganz ohne Michel aus Lönneberga und gemeinschaftliches Kochen in der alten Heimat. Sehr schön war es trotzdem, aber dazu später mehr.

 

Oft werde ich gefragt, wie oder ob man in Japan eigentlich Weihnachten feiert und so ganz genau kann ich das gar nicht beantworten, denn DAS eine Weihnachten in Japan gibt es gar nicht. Traditionellerweise wird in Japan vom Großteil der nicht-christlichen Bevölkerung kein Weihnachten gefeiert, es ist auch (abgesehen von diesem Jahr) kein offizieller Feiertag, weder am 25.12. noch sonst irgendwann. Doch natürlich schauen auch Japaner Hollywoodfilme und ausländische Musikvideos und haben so mittlerweile Wind gekriegt von Glitzerlametta und Glühwein. Und da Japan augenscheinlich generell ein Herz hat für alles was glitzert und irgendwie besinnlich-romantisch-süß aussieht, konnte sich Weihnachten doch noch still und leise einschleichen – zumindest der Lametta-Kerzenschein-Teil, die Baby-Stall-Stern-Sache wird eher außen vor gelassen. Und so kommt es, dass man in Japan, dem Land in dem eigentlich kein Weihnachten gefeiert wird, an jeder Straßenecke über bunt-blinkende Plastikbäume, aufblasbare Weihnachtsmänner und „Merry-Christmas“-Pappaufsteller stolpert. Last Christmas läuft in der Straße zum Bahnhof schon seit meiner Ankunft jeden Tag in Dauerschleife und auf „typisch deutschen“ Weihnachtsmärkten muss ich noch nicht mal auf Glühwein und gebrannte Mandeln verzichten. Damit zusammenhängend ist es mittlerweile auch gewöhnlich, dass Kinder am 25.12. Geschenke von ihren Eltern bekommen und dass Pärchen etwas Schönes zusammen unternehmen beziehungsweise zusammen Essen gehen. Eigentlich schon fast wie in Deutschland, oder?

Wenn da nicht die Sache mit dem Essen wäre. Braten und Klöße oder auch Würstchen mit Kartoffelsalat sucht man in Japan am 1. Weihnachtsfeiertag meist vergeblich und auch ein amerikanischer Truthahn ist eher ungewöhnlich. Dafür ist es bei den meisten Familien Tradition die weihnachts-familienpackung frittierte Hühnchen von Kentucky Fried Chicken zu besorgen und das Ganze anschließend mit einem sahnigen Erdbeerkuchen zu beenden. Kentucky Fried Chicken, ihr habt richtig gelesen. Das Ganze hängt wohl zum einen  mit der Ähnlichkeit von Kentuckys Logofigur und dem allerorts  Bekannten „Santa-san“ (Mr. Santa [Clause]) zusammen und ist insgesamt wahrscheinlich einfach dem guten Geschäftssinn der ersten Kentucky Fried Chicken Läden in Japan geschuldet. In seiner Fülle nachzulesen auch nochmal hier. Obwohl ich großer Fan vom Nachempfinden ausländischer Traditionen bin, haben wir dann doch entschieden, diese japanische Tradition zu überspringen ;)

 

Stattdessen haben wir uns am 24. und 25. über zwei überfüllte deutsche Weihnachtsmärkte schieben lassen, gebrannte Mandeln verbrannt, Glühwein geschlürft und die kitschige und doch irgendwie ziemlich schöne Weihnachtsbeleuchtung genossen, die überall verteilt in der Stadt zu finden ist. Mein Highlight war unser mehrgängiges Abendessen im schicken veganen Restaurant, das wir uns sonst nie und nimmer leisten würden. (Nur dass hier kein falscher Eindruck entsteht, andere erwachsene Menschen gehen wahrscheinlich immer für diesen Preis essen, die Restaurantpreisklasse die ich gewohnt bin, bewegt sich aber eher so auf Mensa-Preisniveau) Ganz klassisch gab es eine Reihe sehr großer Teller mit einigen undefinierbaren Stückchen und ein paar kunstvollen Spritzern. Die Menükarte trug ihren Teil mit poetischen, aber leider nur schwer verständlichen Beschreibungen der Gänge bei. Das klingt jetzt aber alles viel negativer als es war. Das Essen war sehr gesund und sehr lecker und die Mitarbeiter durchweg glaubwürdig extrem freundlich und aufmerksam. Das Gefühl, dass wir uns irgendwie als Schauspieler in diesen schicken Ort eingeschlichen haben, an den wir eigentlich gar nicht gehören, fing dann auch an sich irgendwann um den vierten Gang herum zu legen und wir trauten uns sogar zu lachen und nicht nur verkrampft-edel-andächtig auf die großen Teller zu starren ;) Vielleicht fühlt sich so erwachsen sein an?

Soviel zu meinem kitschig-schönen Weihnachten, ganz ohne frittiertem Huhn und Plastikbaum. Hier geht der Feiermarathon auch bald schon weiter, denn über Neujahr fahren wir zur Lieblingsjapanerfamilie in den Schnee. Silvester und Neujahr ist nämlich überraschenderweise in Japan ein traditionell-besinnliches Familienfest, vielleicht kommt dann meine besinnliche Weihnachtsstimmung dieses Jahr doch noch ein bisschen verspätet ;) 


Kommentare: 0